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Novellierung der Ersten Hilfe

Zum 1. April 2015 wurde die Laienausbildung der Ersten Hilfe durch die fünf großen Dachverbände (DRK, ASB, JUH, MHD, DLRG) und die Berufsgenossenschaft novelliert. Daraus ergaben sich eine Verkürzung der Ausbildung von 16 auf neun Unterrichtseinheiten (1 UE à 45 min) und eine Veränderung des Curriculums. Innerhalb dessen wurden zwei wesentliche Punkte verändert, die für die Leitstelle wegweisend sind. Laut dem DRK - Generalsekretariat soll durch das Entschlacken bisheriger Inhalte und den Fokus auf elementare Themen die Handlungskompetenz des einzelnen Ersthelfers nachhaltig erhöht und die Rettungskette insgesamt gestärkt werden. So sind z.B. nach wie vor vielen Bundesbürgern die wichtigsten Informationen beim Notruf und sogar die europaweite Notrufnummer 112 nicht bekannt. Leider wurden die meisten Leisteten nicht über die Veränderungen der Ersten Hilfe informiert, sodass dieser Beitrag dazu dienen soll, die zwei wesentlichen Veränderungen aus Sicht der Leitstellen und den damit verbundenen Erwartungen der Ersthelfer aufzuzeigen und vorzustellen.

Die 5 W´s bei der Notrufabfrage

Viele Generationen haben in den letzten Jahrzehnten die fünf bundesweit bekannten W´s (Wo, Was, Wie viele, Welche, Warten) als Unterstützung beim Absetzen eines Notrufes kennengelernt und erlernt. Oft orientieren sich auch die Einsatzbearbeiter an den fünf W´s, um einen Hilfeersuchen im Notruf in der Leitstelle entgegenzunehmen. Lieder wurden die fünf W´s von den Notrufteilnehmern nicht immer in der gewünschten Ablauffolge mitgeteilt. So wurde zunächst meist das „Was“ noch vor dem „Wo“ dargestellt. In den letzten Jahren wuchs zunehmend in diversen Aus- und Fortbildungen die Erkenntnis, dass es wichtig ist, als erstes das „Wo“ zur Einsatzstellenbestimmung explizit zu erfragen. Hier erwies es sich als zielführend, den Hilfeersuchenden direkt bei der „Begrüßung“ mit einer Frage nach dem „Wo“ zu konfrontieren. So werden in einem Großteil der bundesweiten Leistellen, die Hilfeersuchen mit dem Satz „Notruf, Feuerwehr, Rettungsdienst, wo genau ist der Notfallort?“ eröffnet. Mit einer geübten Formulierung wird mit dieser Einleitung der Hilfeersuchende direkt mit einer Frage „begrüßt“, „abgeholt“ und in eine Struktur innerhalb des Hilfeersuchens geführt – ganz nach dem Grundsatz „Wer fragt – der führt“.

Trotz der bekannten fünf W´s und dem „Wo“ an erster Stelle erfolgte immer wieder die Rückmeldung der Einsatzbearbeiter aus der Praxis, dass das „Wo“ noch deutlicher bei der Bevölkerung zu positionieren ist, um dem Hilfeersuchenden schon im Vorfeld die Wichtigkeit der Einsatzstelle darzustellen und ihn nicht bei der Begrüßung im Notrufdialog mit der Frage zu überfallen. Mit der Novellierung der Erste-Hilfe-Ausbildung wurde dies nun beim DRK umgesetzt. Das neue Curriculum der Ersten Hilfe beschreibt die wichtigsten Informationen nur noch mit zwei W´s. Zum einen mit dem „Wo ist der Notfallort?“ und zum anderen mit dem „Warten“ auf Rückfragen des Einsatzbearbeiters. Dadurch, dass alle weiteren Informationen durch die Leitstelle abgefragt werden, bietet sich die Gelegenheit, nach dem schnellen und zielgerichteten Start eine Struktur unter Berücksichtigung des jeweiligen Meldebildes durchzuführen. Unterstützt werden, könnte dies durch die jeweiligen Einsatzleitsysteme. Diese neuen Abläufe gilt es nun auch vorzustellen und einheitlich zu schulen. Hier sind nicht nur die fünf großen Dachverbände aufgeführt, sondern auch die Feuerwehren mit ihren Brandschutzerziehern, die in Schulen und Kindergärten neben dem Verhalten im Brandfall auch auch den „richtigen“ Ablauf eines Notrufes vorstellen und schulen. 

Hilfestellung im Notrufdialog

Zu den Abläufen eines Hilfeersuchens im Notrufdialog gehören auch die telefonischen Hilfestellungen durch den Einsatzbearbeiter gegenüber dem Ersthelfer oder – wie in den ERC-Leitlinien beschrieben – dem „Notfallzeugen“ bis zum Eintreffen der Rettungskräfte. Dank der seit Jahren publizierten Telefonreanimation ist der Schwerpunkt einer Hilfestellung nicht neu. Die Notwendigkeit einer Hilfestellung wurde in den ERC-Leitlinien vom 15. Oktober 2015 noch einmal deutlich aufgeführt, insbesondere was die Interaktion zwischen dem Einsatzbearbeiter, dem Notfallzeugen und dem Automatisierten Externen Defibrillator (AED) angeht. Aufgrund dieser seit Jahren publizierten Inhalte sind die Leitstellen in der Regel auf die Telefonreanimation und deren Telefonbegleitung und die damit verbundenen Anweisungen gegenüber dem Notfallzeugen gut vorbereitet und geschult. Hilfsmittel/Algorithmen, um die Telefonreanimation einfach und verständlich anzuweisen, sind oft eine Erleichterung und liegen den Leitstellen vor.

Was aber, wenn eine Hilfestellung außerhalb der Telefonreanimation notwendig ist oder sogar durch den Hilfeersuchenden gefordert wird? Oft entsteht der Wunsch nach einer Erste-Hilfe-Anleitung bis zum Eintreffen der Rettungskräfte. Unterstützt werden diese Erwartungen durch die Inhalte der Ersten-Hilfe-Ausbildung, in denen ein telefonischer Beistand bis zum Eintreffen der Rettungskräfte als Option beschrieben wird. Zusätzlich zu der möglichen Forderung eines Hilfeersuchenden müsste es eigentlich im Notrufdialog selbstverständlich sein, neben der Anleitung zur Telefonreanimation auch weitere Hilfestellungen und Unterstützungen anzubieten oder vorzugeben. Hier helfen oft einfach Handlungsanleitungen, die dem Hilfesuchenden in seiner Ausnahmesituation gedanklich nicht mehr zur Verfügung stehen. Nicht allen Einsatzbearbeitern ist es bewusst, mit welch kleinem zeitlichen Aufwand Gefährdete, Erkrankte oder Verletzte ein besseres Outcome oder eine bessere Überlebenschance erreichen kann, wenn eine korrekte Ersthelfermaßnahme geboten wird. Aus der Praxis ist oft zu erfahren, dass sich der Einsatzbearbeiter nicht traut, unterstützend tätig zu werden, um nichts falsch zu machen. Dieser Gedanke rührt oft daher, dass man sich in den Abläufen der präklinischen Notfallversorgung aufgrund jährlicher Rettungsdienstfortbildungen oder aus der Praxis heraus auskennt, nicht jedoch in der aktuellen Lehrmeinung der Ersten Hilfe, in deren Schwerpunkt die Hilfestellung gegeben werden soll. Beispielhaft ist hier die Verbrennung oder Verbrühung einer Person aufgeführt, die bei den Einsatzbearbeitern innerhalb der Hilfestellung immer wieder zu Unsicherheit führt: kühlen – ja oder nein -, wie lange und ab welcher Fläche der Verbrennung?

In Hessen hat man diese Problematik erkannt und eine Arbeitsgruppe „Hilfestellung im Notrufdialog“ ins Leben gerufen. Unter Beteiligung drei Ärztlicher Leiter aus Hessen, eines Leitstellenleiters und von Notruf-Training 112 erarbeitet diese AG – in starker Anlehnung an die Erste Hilfe – Hilfestellungen für Einsatzbearbeiter. Hierzu gehören auch Hilfestellungen, die nicht in der Ersten Hilfe beschrieben sind, wie z.B. die Geburt. Ziel ist es, eine landesweite Empfehlung zu erstellen, derer sich die 21 hessischen Leitstellen bedienen dürfen. Im Anschluss der Vorgaben ist es wichtig, Änderungen von Hilfestellungen anzupassen. Die häufigsten Hilfestellungen werden innerhalb der rettungsdienstlichen Einsätze vorgegeben. Was ist aber mit den Einsätzen der Feuerwehr? Welche Hilfestellung soll der Einsatzbearbeiter bei einem Zimmerbrand im 2.OG geben, wenn es sich um ein hohes Haus mit fünf Stockwerken und 16 Wohneinheiten handelt? Sollen alle Bewohner ihre Wohnungen verlassen und ins Freie gehen oder wo ist der Bewohner im 5.OG am sichersten? Neben einer Aus- und Fortbildung liegt es auf der Hand, den Einsatzbearbeitern als organisatorische Vorleistung möglichst viel Hilfestellungen vorzugeben. Von Vorteil sind hier implementierte Hilfestellungen im Einsatzleitsystem.

Mit den neuen Inhalten der Ersten Hilfe vermittelt man u.a. auch die Abläufe eines Notrufdialogs von heute. Dabei wird nach der wichtigsten Information – dem „Wo“ – gefragt. Im Verlauf des Notrufdialogs erhält der Hilfeersuchende ggf. auch situationsgerechte Hilfestellungen bis zum Eintreffen der Rettungskräfte durch den Einsatzbearbeiter. Wie im Beitrag bereits angemerkt, hat das DRK diese Novellierung der Erste-Hilfe-Ausbildung umgesetzt und erreicht damit jährlich über 1,4 Mio. Ersthelfer. Es ist davon auszugehen, dass die vier Dachverbände und die Feuerwehr die Novellierung in nächster Zeit ebenfalls anpassen werden. Die jeweiligen Leitstellen sollten vorbereitet sein, um den Erwartungen der Hilfeersuchenden bei der Forderung einer Unterstützung/Hilfestellung gerecht zu werden, aber auch in bisheriger Form professionell durch den Notruf führen, nach dem Motto „Wir fragen und führen – Sie antworten“.